Am 14.09.2020 haben wir Kanette gehen lassen. Sie war vom kämpfen müde, sie konnte einfach nicht mehr. Ich denke die Talfahrt startete vor etwa 6 Wochen vorher. Bis dahin kam sie mit ihren vergangenheitsgebrechen wirklich gut klar. Das linke Auge war blind, die vorderhufe von einer geburtsrehe geschädigt war sie trotzdem der absolute Chef. Eine Leitstute, die so unglaublich souverän und stark war, dass kaum ein anderes Pferd es wagte ihren Status zu testen. Manchmal, wenn wir die Herden neu formierten, kam da ein Trupp von Pferden auf sie zu gerast, fest im Glauben sie vertreiben zu können. Kanette wuchs dann im Bruchteil von Sekunden zu einem Streitross heran. Dann wurde aus der betagten Stute beinahe ein wilder Hengst. Den Hals gewölbt, die nüstern geweitet schlug sie dann blitzschnell im hohen bogen mit einem vorderbein auf den Boden.  Da hopste einem noch in einigen Metern Entfernung der Kaffee aus dem Becher. Die prolligen möchtegernvertreiben rannten dann so schnell sie konnten ans andere Ende der weide. Keiner stellte sie ein zweites Mal in Frage. Kanette wusste genau wer sie war, so genau, dass sie niemanden verletzen musste um ihren Rang zu behaupten. Sehr souverän zickte sie auch keine anderen Pferde an – so lange sie höflich waren.

Mit Menschen hatte sie sehr lange Zeit ihre eigene Philosophie.  „Bleib auf Abstand und bedräng mich nicht, dann ist alles gut“. Das „sonst“ wurde wohl nie getestet. Ihre Vorboten waren deutlich genug.

Kanette lies sich nicht einfach anfassen oder mitnehmen. Ein junges Mädchen war die erste, die wirklich Jahre lang beharrlich und für Kanette berechenbar blieb, und ihr Vertrauen erlangte.  Nach und nach durften wir dann auch mal enger mit ihr zu tun haben. Männer allerdings nicht. Dann konnte es gefährlich werden. Kanette blieb liegen wenn ihre junge Freundin kam. Sie durfte sich dicht an sie setzen, sie streicheln und ihre wunderschöne Dinge zuflüstern. Mit ihr an der Seite konnten Kanettes Zähne gemacht werden und der Hufschmied konnte zumindest ihre vorderhufe bearbeiten. Vor 2 Jahren noch undenkbar und wer sie kannte und nicht dabei war, konnte es gar nicht glauben.

In den letzten 5 Wochen habe ich es geschafft Kanette 2 x täglich Medikamente oral zu verabreichen. Dann sagte sie ganz deutlich dass ich mir ihre Mitarbeit gepflegt hinter die Ohren schmieren könne. Geholfen hatte es bisher eh nichts. Die Geschmacksrichtungen wurden wohl auch immer übler. Wir bekamen nichts mehr rein ohne dass es für uns und sie gefährlich wurde. Als sie nun auch nicht mehr fressen konnte/wollte, da blieb uns keine Wahl.  Wir haben sie gehen lassen.  Zugucken wie sie verhungert oder erstickt war keine Option. 

Wir sind nicht viele menschen auf dem Hof. Niemand möchte dabei sein aber der harte Kern war da. Für Kabette, um dieses große Pferd auf dem letzten Gang zu begleiten.

Kanette ist 25,5 Jahre alt geworden. Die letzten 2,5 Jahre hat sie alles gehabt, was sie brauchte und noch viel mehr. Sie lit keinen Hunger und hatte ein warmes, trockenes Bett.  Sie hat sich im hohen Alter noch so toll entwickelt, auch wenn sie eine der Pferde blieb, die provoziert gefährlich werden konnten.

Kanette hat nun keine Schmerzen mehr, wir waren einfach machtlos. Unvergessen bleibt dein vorderbeinhammer, den dir niemand zutraute und der so beeindruckend war, dass einem so deutlich bewusst wurde wie gewaltig die Kraft und Entschlossenheit der Pferde sein kann. Und dein Führungskraft,  so souverän und sanft. Ausser jemand fragte deinen Status ab….

Ich denke oft an dich – und an das junge Mädchen,  für die die welt nun einfach stehen geblieben ist .

Mach es gut „First Lady“